Foto: Lennart Ootes
14. Runde des Kandidatenturniers 2020 / 2021
Wir schließen unsere Blogserie zum aktuellen Herausforderer auf den Weltmeisterschaftstitel im Schach 2021 – Ian Nepomniachtchi – mit der letzten Runde des Kandidatenturniers ab.
Nepo hatte in der vorherigen Runde gegen Maxime Vachier-Lagrave (MVL) nur Remis gespielt, während Fabiano Caruana, Ding Liren und Alexander Grischuk jeweils einen vollen Punkt holen konnten. Großer Verlierer des 13. Spieltages war somit Anish Giri, der es damit verpasste, den Rückstand auf Nepo in seinem Spiel gegen Alexander Grischuk aufzuholen.
Durch Grischuks Sieg stand nun Nepo bereits einen Spieltag vor Schluss als neuer Herausforderer von Magnus Carlsen fest! Anish Giri lag zwar nur einen Punkt hinter Nepo und hatte noch theoretische Chancen auf den Gesamtsieg, doch hatte er das direkte Duell gegen den Russen verloren. Selbst bei einem Gewinn von Anish im letzten Spiel und einer Niederlage von Ian wäre Nepo der Turniersieg damit nicht mehr zu nehmen gewesen. Schauen wir uns also an, was Ian Nepomniachtchi in seiner letzten Partie gegen Ding Liren mit Schwarz vorbereitet hatte.
Ding Liren – Ian Nepomniachtchi
Ding Liren eröffnete mit 1. d4, worauf Ian abwartend mit der „Indischen Verteidigung, Anti-Grünfeld“ antwortete. Indisch wurden Eröffnungen genannt, welche nicht gleich das Zentrum im Blick haben, sondern dem Gegner erst einige Züge Vorsprung gewähren, um dann das Zentrum anzugreifen.
Ding Liren hatte mit 6. Ld3 einen seltenen Entwicklungszug gespielt, der durchaus logisch erscheint und das erste Mal im Januar 2020 in einer Meisterpartie gespielt wurde. In der Diagrammstellung wenige Züge später schlägt Ian das erste Mal im Zentrum mit 7. ...exd5 8. cxd5 zu und spielte fortan mit einem besseren Zugriff auf das Zentrum.
Stellung nach dem 7. Zug von Weiß
Die Entwicklung ging weiter mit 8. …Sbd7 9. Sec3 (wir sehen die Eröffnung enthält viele strategische Manöver) a6 10. a4 Sh5 11. 0-0 Ld4+ 12. Kh1 Se5 13. Se2 Dh4 und wieder hat Nepo es geschafft, mit Schwarz einen starken Angriff aufzubauen! Noch ist natürlich nichts entschieden, aber die Initiative, also die Möglichkeit zum Angriff, lag in dieser Phase der Partie wohl eher bei ihm.
Stellung nach dem 13. Zug von Schwarz
Mögliche Züge für Ding Liren sind nun 14. Ta3 (bringt den Turm ins Spiel auf die umkämpfte 3. Reihe), der Rückzug Lc2 und das Schlagen des starken Läufers auf d4. Ding entscheidet sich für Letzteres und gibt damit nach
die Qualität an Schwarz ab. Der Computer empfiehlt statt 14. … Sxd3 wie in der Partie, mit 14. …cxd4 das materielle Gleichgewicht zu belassen und erst später den weißen König zu attackieren.
So hat Ian zwar nach 17. Sc2 Sxh2 18. De3 mehr Material, muss nun aber aufpassen seinen Angriff und die Entwicklung gleichzeitig aufrecht zu erhalten. Mit 18. …0-0 erreichte er das Ziel nicht! Besser wäre g5! oder f5 gewesen, doch auch diese Züge reichten nicht ganz, um einen starken Angriff aufzubauen – und sie schwächen natürlich seine eigene Königsstellung!
Jetzt konnte Ding Liren die Damen abtauschen. Es folgten 19. Dg5 Sxf3+ 20. gxf3 Dh3 21. Lf4 Dxf3 22. Sd2 f6
Stellung nach dem 22. Zug von Schwarz
Nach 23. Dxg6 hxg6 24. Sxf3 Lg4 gewann Nepo zwar nebenbei noch alle drei Bauern vor dem gegnerischen König – die Initiative war aber mittlerweile deutlich bei Weiß, der mit d6 ein willkommenes Angriffsziel hatte.
Stellung nach dem 27. Zug von Schwarz
Wenig später gelang es Ding Liren mit 28. Lxd6 schließlich, den Bauern zu schlagen und er behielt mit den zwei Leichtfiguren gegen Nepos nicht entwickelten Turm leichtes Spiel!
Weiter ging es mit 28. …Tfe8 29. Sxd3 cxd3 30. Lc7 Kf7 31. Ta3! Tac8 (Schwarz ist erst jetzt voll entwickelt) 32. d6! Ke6 33. Txd3 und bereits hier war leicht zu erkennen, dass Jan wohl an diesem Tag nicht punkten würde.
Stellung nach dem 33. Zug von Weiß
Früher oder später musste Nepo einen Turm für den hervorragend platzierten Läufer auf c7 opfern, wonach sein Materialrückstand jedoch nur noch größer werden würde. Die Partie endete mit 33. …Kd7?! (Th8) 34. Sc4 – droht die Gabel auf b6 oder den Vorstoß Bauer nach d7. Nepo schlug daher mit 34 …Txc7 den Läufer, gab sich jedoch nach 35. Sb6+ geschlagen.
Die Niederlage in der letzten Runde des Kandidatenturniers wird Nepo nicht allzu sehr geschmerzt haben, war ihm doch der Turniersieg nicht mehr zu nehmen! Zudem bekam er auch noch Schützenhilfe von Kirill Alekseenko, der zeitgleich seine letzte Partie gegen Anish Giri, den einzigen chancenreichen Verfolger von Nepo, überraschend gewinnen konnte.
Ian Nepomniachtchi gewann somit das lange Kandidatenturnier 2020 / 2021 und durfte sich fortan auf den Weltmeisterschaftskampf im November 2021 gegen den amtierenden Weltmeister Magnus Carlsen in Dubai vorbereiten!
Beide Spieler kennen sich aus vielen Turnieren seit ihrer Kindheit – und Nepo ist der einzige Top-Spieler mit einer positiven Bilanz im klassischen Langschach gegen den amtierenden Weltmeister! Es erwartet uns also ein interessanter und spannender Kampf in bis zu 14 Langschachpartien, wofür wir beiden Spielern viel Glück wünschen!