Ian Nepomniachtchis Weg zur WM – Kandidatenturnier Runde 7

Foto: Lennart Ootes

Maxime Vachier-Lagrave – Ian Nepomniachtchi

Mit der siebten Runde und somit zum Ende der „Hinrunde“ trafen die beiden bisher führenden Spieler des Kandidatenturniers direkt aufeinander.

Ian Nepomniachtchi führte nach sechs Runden mit einem Punkt Vorsprung vor Maxime Vachier-Lagrave (MVL). Letzterer musste die Partie mit den weißen Steinen somit gewinnen, um gegenüber seinem Konkurrenten aufzuholen und seine Chancen auf einen Weltmeisterschaftskampf gegen Magnus Carlsen zu wahren.

MVL eröffnete mit 1. e4 und Ian antwortete gegen den Franzosen mit der französischen Verteidigung – Bauer nach e6. 

Es folgte die sogenannte „Winawer Variante“ mit dem weißen Vorstoß nach e5 – Weiß gewinnt somit Raum im Zentrum und Schwarz bekommt dafür Gegenspiel am Damenflügel.


Stellung nach dem 10. Zug von Weiß

 

Die Variante wurde unter Großmeistern bereits oft gespielt. Sie ist recht scharf mit vergleichsweise wenig Remisen – in der Diagrammstellung ist nach 10. Dg4!? der g7 Bauer angegriffen und es gibt einige Varianten wie Schwarz verteidigen kann.
Dazu zählen Kf8!? mit guten Ergebnissen, aber auch Bauer cxd4 oder Sf5 sind möglich. Ian entschied sich für den ebenfalls interessanten Zug 10. … Tg8 und schob nach dem erwarteten 11. Lb5+ auch Kf8 nach.


Stellung nach dem 18. Zug von Weiß

 

Nach einigen Entwicklungszügen ist Ian im achtzehnten Zug etwas unvorsichtig geworden. Seit AlphaZero die französische Eröffnung als sehr schwierig zu verteidigen einschätzte ist der c4?! Zug ein Hinweis dafür, dass Schwarz sein Gegenspiel im Zentrum aufgibt.
Ähnlich sehen wir es auch hier durch MVL genutzt, der mit seinem vorgestoßenen Bauern auf e5 die Unterstützung der Bauernkette nutzt um komfortabel in das Endspiel zu gehen. Nach 19. 0-0 Tb6 20. Dc2 stellte Jan seinen Turm und König wieder auf ihre Ausgangsfelder – bessere Züge waren sicher Sd7-b8-c6 oder Dxa3.

Bis zum 22. Zug haben sich beide Spieler weiter aufgebaut, und Maxime demonstriert in dieser Stellung, dass Weiß bereit ist, nach Sxb4 cxb4 mit seinem Läufer gegen den passiven h8-Turm die Kontrolle über die schwarzen Felder zu übernehmen.


Stellung nach dem 22. Zug von Schwarz

 

Nach 23. f4 folgte also der Rückzug 23. … Se7 24. Tfb1 f5. Weiß ist nun schneller in der Lage, sich am Damenflügel aufzubauen und Maxime zeigt dies vorbildlich in dieser Partie.

Nach weiteren zehn Zügen, in denen einiges an Material am Damenflügel abgetauscht wurde, kommen wir zur Stellung nach 32. … exf5.


Stellung nach dem 32. Zug von Schwarz

 

Weiß hat sein Bauern-Dreieck behalten und einen Freibauern auf e5 geschaffen; Schwarz hat dafür einen entfernten Freibauern auf a7, welcher jedoch noch einen weiten Weg vor sich hat, bis er gefährlich werden kann.
Maxim spielte hier 33. Sg3 und Nepomniachtchi antwortete mit Db6 (eine Deckung mit dem Bauer g6 wäre vermutlich besser gewesen). Das gibt MVL die Möglichkeit zu einem Zwischenschach 34. Sxf5+ Kf8 und 35. Da1! deckt alle wichtigen Felder ab.

Ian beging nun den nächsten Fehler in der Partie – er tauschte seinen wichtigen Freibauern ab, anstatt ihn in Bewegung zu setzen: De6? (a5 wäre besser gewesen). Es folgten die Züge 36. Sg3 Dg4 37. Kg2 Dxf4 38. Dxa7


Stellung nach dem 38. Zug von Weiß

 

Auf den ersten Blick ist noch nicht gleich ersichtlich, wie schwierig die schwarze Stellung zu verteidigen ist. Ian zog hier mit Ke7 seinen König in Richtung Zentrum, Maxime erwiderte mit 39. Da3+ Kd8 (Kf7) 40. Dd6! und trotz genügend Zeit auf der Uhr verrechnete sich Ian nun noch mit 41. …g5?.
Andere Varianten wie Dd2 Ka3 Df4 Dxd5 Kd7 wären jedoch auch nicht vielversprechender gewesen.

Die siebte Runde endete mit 41. hxg6 en-passant h5 und 42. g7, wonach Nepo die Segel streichte und die Partie aufgab.

Wer von Euch Lust hat, kann in dieser Stellung nach Dd2+ gern das errechnete Matt in #20 nachspielen 🙂

Damit ging die erste Hälfte des Kandidatenturniers im Jahr 2020 zu Ende und Maxime Vachier-Lagrave übernahm nach dieser eindrucksvollen Leistung die Führung des Turniers.

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